Doppelmaster-Studium in Warschau: Ein unerwarteter Türöffner
Laura und Martin haben zum Wintersemester 2019 ihr Doppelabschluss-Studium an der Warsaw
School of Economics begonnen. Einige Semester später sind sie zurück in Deutschland, im Übergang
vom Studierenden- ins Berufsleben und nehmen sich Zeit, von ihren Eindrücken zu berichten. Mit viel
Humor tauschen sie im Interview Anekdoten aus ihrer Studienzeit aus und kommen einstimmig zu
dem Ergebnis: Der Doppelmaster hat sich gelohnt.
Warum habt Ihr Euch für das Programm entschieden?
Laura: „Dass ich in meinem Master-Studium noch einen Auslandsaufenthalt machen möchte, war
klar, aber für meinen Studiengang, „International Economics and Public Policy“ (IEPP) war es gar
nicht so einfach, im Rahmen eines einfachen Erasmus-Semesters passende Kurse an ausländischen
Universitäten zu finden, die ich mir hinterher hätte anerkennen lassen können. Ich habe mich dann
im ersten Master-Semester mit einer polnischen Teilnehmerin des Doppelmaster-Programms
angefreundet, die mich darin bestärkt hat, mich zu bewerben. Das Gute: Da es sich um ein
integriertes Programm handelt, musste ich mir um die Anerkennung der Leistungen, die ich in
Warschau belege, keine Sorgen machen. Außerdem gibt es für das Jahr im Ausland sogar noch einen
zweiten Abschluss, ein klarer Vorteil! Und: Seien wir mal ehrlich, so ein Auslandsaufenthalt in
England oder Spanien ist ja heutzutage „normal“, Polen ist da schon etwas Besonderes!“
Martin: „Mein Weg zum Doppelmaster-Programm war etwas anders: Ich wollte gerne nach
Warschau und hatte eigentlich für die SGH sogar schon eine Zusage, allerdings für das Erasmus Programm. Als ich dann vom Doppelmaster gehört habe, wollte ich mich im Auslandsbüro eigentlich nur informieren, ob theoretisch die Möglichkeit bestünde, später noch dorthin zu wechseln.
Stattdessen wurde ich dann aber davon überzeugt, den Schritt zu wagen und direkt in den
Doppelmaster einzusteigen. Mir fehlte damals noch der TOEFL-Test zum Nachweis meiner
Englischkenntnisse, den musste ich sehr kurzfristig nachholen, was mich ganz schön Nerven gekostet
hat! Naja, der Rest ist Geschichte, nun sitze ich hier im Interview als Doppelmaster-Absolvent und
halte mein Zeugnis in den Händen, der Stress damals hat sich dann wohl gelohnt!“
Hattet Ihr auch Bedenken?
Laura: „Ja, ehrlich gesagt schon! Ich habe an der SGH den Studiengang „Finance and Accounting“
gewählt und hatte Bedenken, ob meine Vorkenntnisse in diesem Bereich überhaupt ausreichen. In
meinem Bachelor in München habe ich hierzu zwar ein bisschen gelernt, aber in meinem VWL orientierten Master in Mainz ist das ja nicht gerade der Schwerpunkt gewesen. Ich habe beschlossen, es trotzdem einfach zu probieren. Hätte ich für den doppelten Abschluss auch zwei Masterarbeiten
schreiben müssen, hätte ich es mir wohl nicht zugetraut, aber das ist ja zum Glück nicht der Fall.“
Martin: „Ich war ja am Anfang auf ein relativ „lockeres“ Erasmus-Semester eingestellt und hatte
dann, vor allem wegen meiner Englisch-Kenntnisse, schon starke Bedenken, ob es für das
Doppelmaster-Programm reicht. Man weiß halt einfach nicht genau, was einen an der SGH erwartet
und das Curriculum sieht auf den ersten Blick schon sportlich aus. Die Antwort vorweg: Es hat
gereicht, meine Bedenken haben sich vor Ort recht schnell in Luft aufgelöst.“
Hat die polnische Sprache auch eine Rolle für Euch gespielt?
Martin: „Nie (Polnisch für „Nein“)! Mein Plan sah so aus, einen Großteil der Pflichtveranstaltungen im
Wintersemester „abzuhaken“, um dann im Sommersemester viel reisen zu können – in dieser Zeit
hätte ich vielleicht auch etwas Polnisch gelernt. Die Pandemie hat mir im Frühjahr dann einen Strich
durch die Rechnung gemacht, sodass ich keinen Sprachkurs mehr belegt und im Endeffekt nur auf
Englisch oder eben mit Händen und Füßen kommuniziert habe. Das war absolut gar kein Problem. Ich
war zum Beispiel mit fast ausschließlich polnischen Studierenden in einem Handball-Team der
Universität, selbst dort kam ich mit Englisch immer ans Ziel.“
Laura: „Tak (Polnisch für „Ja“)! Ich habe tatsächlich seit meinem Studienbeginn an der SGH schon
mehrere Polnisch-Kurse belegt und bin sogar auch nach meiner Rückkehr drangeblieben. Martin hat
aber recht: Man kommt sowohl im Studium als auch in der Freizeit in Warschau einwandfrei auch
ohne Polnisch aus.“
Hat man denn vor Ort auch Kontakt zu polnischen Studierenden?
Laura: „Man ist schon eher mit internationalen Studierenden aus anderen Doppelmaster-Studiengängen zusammen, auch mit vielen Deutschen belegt man gemeinsam Veranstaltungen. Ich
war aber insbesondere mit zwei Polinnen aus dem Doppelmaster schon aus der Zeit an der JGU gut
befreundet, sodass ich auf einigen Partys, zum Beispiel auch an Silvester, hautnah die polnische
Kultur erleben konnte.“
Martin: „Ja, von den anderen Deutschen habe ich mich allerdings auch bewusst ferngehalten! Ich
hatte mir als primäres Ziel gesetzt, unbedingt mein Englisch zu verbessern und mir war klar, dass das
nicht geht, wenn ich die ganze Zeit nur in der „deutschen Bubble“ bleibe. Das hat mich dann auch
dazu gebracht, in das Uni-Handball-Team einzusteigen, in dem ich fast der einzige „Ausländer“ war.
Ich war dort voll integriert, durfte am „Sportball“ der SGH teilnehmen und war auf vielen Partys von
Teammitgliedern. An der Uni ist man schon eher separiert von den polnischen Studierenden, da sie
häufig eher das polnisch-sprachige Kursangebot wählen.
Und wie sieht es in Zukunft aus, wird Polen für Euch noch eine Rolle spielen?
Laura: „Derzeit denke ich nicht, dass ich in naher Zukunft in Polen arbeiten oder leben werde, aber
ich muss ganz klar sagen: Seit meiner Zeit in Warschau ziehe ich Polen und Osteuropa insgesamt bei
der Jobsuche überhaupt erst in Betracht, vorher hatte ich das nicht so auf dem Radar. Ich habe in
meinem Studium an der SGH an einigen Bewerbertrainings von großen Unternehmen teilgenommen
und mir ist klar geworden, dass dort ohnehin Englisch als Unternehmenssprache vorherrscht –
dadurch eröffnet sich für mich ein interessanter Arbeitsmarkt. Das Doppelmaster-Programm hat mir
dahingehend die Tür in eine neue Welt geöffnet, die ich vorher nicht in Betracht gezogen hätte.“
Martin: „Das kann ich nur bestätigen. Außerdem habe ich Warschau als unfassbar moderne,
lebendige Stadt kennengelernt. Ich muss ehrlich sagen, dass meine Erwartungen, vor allem an die
polnische Hauptstadt, nicht sehr hoch waren und deutlich übertroffen wurden. Auf dem Weg vom
Flughafen in die Innenstadt habe ich schon gedacht „Wow!“.
Wie war denn die Ankunft und das Einleben für Euch?
Martin: „Schon etwas chaotisch, das gehört dazu … Ich habe mich einfach durchgefragt, jeden
angesprochen, wenn ich mal wieder auf der Suche nach etwas war. Das hat gut geklappt, oft findet
man „Verbündete“, die das gleiche Büro suchen. Im Endeffekt ließ sich auch alles lösen und ich habe
mich insgesamt sehr gut betreut gefühlt. Die Programmbetreuung des Auslandsbüros in Mainz stand
die ganze Zeit über mit uns in Kontakt, außerdem sind „Deadlines“ in Polen nicht ganz so definitiv zu
verstehen und man wundert sich, dass sich am Ende immer doch alles lösen lässt. Eine positive
Einstellung und ein freundlicher Gesichtsausdruck gegenüber dem Universitätspersonal haben mir
immer sehr weitergeholfen.“
Laura: „Das Hauptgebäude der SGH ist relativ alt, aber wirklich schön und hat mich an mein Bachelor-Studium in München erinnert. Ich mochte auch, dass alles so nah beieinander liegt. Sich
zurechtzufinden, war am Anfang schwierig, da hat es geholfen, dass ich von einer ortskundigen
Freundin eine Campus-Tour bekommen habe. Wenn es dann hieß „Dafür musst du zum Dekan“, war
ich danach nicht mehr ganz so aufgeschmissen.“
Welche Unterschiede sind Euch zwischen dem Studienalltag in Mainz und Warschau aufgefallen?
Laura: „Es gab eine extreme Bandbreite zwischen sehr leichten und super schwierigen Kursen. Was
mir in einigen Fächern zugutekam, war die Möglichkeit, über gute mündliche Beteiligung oder
regelmäßige Hausaufgaben Extra-Leistungspunkte zu ergattern. Die zählten zwar nur, wenn man am
Ende des Semesters auch die Abschlussprüfung bestanden hat, haben mir aber insgesamt sehr gute
Noten beschert. Ansonsten ist das Studieren ähnlich wie an der JGU, es gibt Veranstaltungen in
großen Hörsälen und bis zu 1.000 Studierenden, aber auch kleine Gruppen mit maximal 15
Teilnehmenden. Ein Unterschied hierbei: Für viele Kurse besteht Anwesenheitspflicht und die
Lehrenden kennen einen durchaus auch mal mit Vornamen.“
Martin: „Oh ja, Letzteres kann ich bestätigen: Als ich einmal an einer Veranstaltung nicht teilnehmen
konnte, habe ich am nächsten Tag den Dozent auf dem Flur getroffen und er hat mich besorgt
gefragt, ob es mir gutgehe. Das habe ich so in Mainz noch nicht erlebt. Ansonsten habe ich ja an der
SGH den Studiengang „Management“ gewählt und habe daher zum Großteil andere Kurse belegt als
Laura. Bei mir waren die Kurse eher in kleineren Gruppen und meist Präsentationen ein bedeutender
Bestandteil der Leistung – mindestens 15 musste ich während der beiden Semester halten. Was ich
super fand: Vor allem im Wahlpflichtbereich hatte ich eine Auswahl an wirklich attraktiven Kursen,
für mich vor allem im Bereich Digitalisierung/ Innovative Technologien. Vom Niveau her ließ sich das
Studium meiner Ansicht nach insgesamt sehr gut bewältigen und ließ sich auch gut mit
Freizeitausgleich verbinden. Die Klausurenphase habe ich als „kurz und heftig“ in Erinnerung –
trotzdem hatte ich aber auch in dieser Phase genügend Zeit, erledigte Prüfungen ausgiebig zu feiern.
Mir war es eben wichtig, neben dem Studium auch das Freizeit-Leben in Warschau kennenzulernen. In
diesem Zusammenhang mein Tipp an alle nachfolgenden Jahrgänge: Sucht Euch unbedingt eine
Unterkunft in zentraler Lage, entlang der U-Bahn-Linie. So ist man schnell an der Uni, aber auch
mitten im Geschehen dieser lebendigen Stadt.“
Euer Fazit: Was hat Euch die Teilnahme am Doppelmaster-Programm gebracht? Persönlich und
beruflich?
Laura: „Der zweifache Abschluss kommt immer gut an, ich habe sogar schon Anfragen von
Unternehmen bekommen, bei denen ich mich gar nicht beworben hatte! Ich stehe gerade kurz vor
meinem Abschluss und hatte schon einige Bewerbungsgespräche. Dabei merkt man:
Auslandserfahrung an sich ist schon ein Pluspunkt, mit Warschau hebt man sich zusätzlich von
anderen ab. Wohin genau es mich beruflich führen wird, ist noch nicht ganz sicher, das Arbeitsfeld im
Bankwesen interessiert mich, eventuell schließe ich ein Trainee-Programm an. Aber auch eine
zunächst wissenschaftliche Laufbahn in Form eines PhD habe ich noch nicht ausgeschlossen. Dank
der Kombination aus „International Economics and Public Policy“ und „Finance and Accounting” im
Doppelmaster bin ich nun sehr breit aufgestellt und blicke zuversichtlich in die Zukunft.“
Martin: „Mittlerweile arbeite ich seit zwei Monaten bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC
(PricewaterhouseCoopers GmbH) und bin sehr zufrieden. Mit dem Doppelmaster im Gepäck hatte ich
schnell Zusagen – das Programm ist in Bewerbungsgesprächen der perfekte Aufhänger: Man kann
viel darüber berichten und anhand dessen auch einige seiner persönlichen Stärken beschreiben. Für
mich war es das erste Mal, dass ich länger im Ausland gelebt habe und somit eine sehr intensive
Erfahrung. Die etwas schwierigeren Phasen, in denen man bei langwierigen Kursen auch mal die
Zähne zusammenbeißen musste, habe ich mittlerweile verdrängt. Ich habe die Zeit eigentlich von
Anfang bis Ende genossen, vor allem hat mir das Programm die Angst vor dem Englisch sprechen
genommen.“